Sachsenhausens Geschichte im Schnelldurchgang


Begeben Sie sich auf historische Spuren und entdecken Sie das alte Sachsenhausen. Denn der größte Stadtteil von Frankfurt hat eine lange Vergangenheit.

Die offizielle Geschichte von Sachsenhausen beginnt im Jahr 1193 mit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes. Königliche Ministerialen, darunter Kuno von Münzenberg, hatten sich am Südufer des Mains niedergelassen. Sowohl die Große als auch die Kleine Rittergasse in Alt-Sachsenhausen erinnern noch heute an die bekannten Geschlechter aus jener Zeit. Die Besiedlung des Ortes durch hohe Verwaltungsbeamte scheint sich stark auf den Bau der Alten Brücke ausgewirkt zu haben. Manche Historiker gehen sogar davon aus, dass der Übergang auf Betreiben Kuno von Münzenbergs entstand, da dieser eine Verbindung zwischen seinen Besitzungen nördlich und südlich des Flusses benötigte.

Wie der Teufel überlistet wurde

Ob mit oder ohne Beteiligung des Edelmanns– die Alte Brücke ist das erste Bauwerk ihrer Art am Unterlauf des Mains. Sie wurde vermutlich im 12. Jahrhundert errichtet und war bis Mitte des 19. Jahrhunderts der einzige Übergang zwischen Frankfurt und Sachsenhausen. Obwohl die Stadtväter die ursprünglich hölzerne Konstruktion allmählich durch ein stabiles Modell aus Stein ersetzen ließen, wurde die Alte Brücke im Laufe der Jahrhunderte durch Hochwasser und Eisschollen wieder und wieder beschädigt. Der bisher letzte, 1911 entworfene und 1926 eröffnete Neubau, fiel gegen Ende des Zweiten Weltkriegs einigen Sprengladungen zum Opfer. Über die 1947 zusammengeflickte und 1965 verbreiterte Brücke rollen inzwischen rund 30.000 Fahrzeuge am Tag. Für das bereits Anfang des 15. Jahrhunderts dort aufgestellte Kreuz gab es übrigens zwei Gründe. Erstens markierte es die tiefste Stelle des Mains, und zweitens erinnerte es potenzielle Sünder daran, dass hier die Todesstrafe durch Ertränken vollzogen wurde. Mit dem goldenen Hahn auf der Spitze des Kreuzes – dem sogenannten Brickegickel – hat es allerdings eine andere Bewandtnis: Laut einer Sage ließ sich der unbekannte Baumeister der Alten Brücke mit dem Teufel ein. Dieser versprach, die in Verzug geratenen Arbeiten rechtzeitig zu vollenden, wenn er dafür die Seele des ersten Wesens erhalte, das die fertige Brücke überquere. Der kluge Mann unterschrieb die Abmachung zwar, überlistete den Teufel jedoch, indem er am entscheidenden Tag einen Hahn vor sich her jagte.

Kurz hinter der Alten Brücke auf Sachsenhäuser Seite beginnt die frühere „Deutsche Bruder Gazza“ und heutige Brückenstraße. Sie erstreckte sich noch im späten 18. Jahrhundert bis zur Dreikönigs- und zur Elisabethenstraße und trennte den Stadtteil in das westliche Unter- und das östliche Oberdorf. An einer der wichtigsten Straßen von Sachsenhausen lagen nicht nur das namensgebende Anwesen der Deutschherren, sondern auch die bekanntesten Wirtschaften des Stadtteils. Das Gasthaus zu den drei Rindern beispielsweise warb noch bis in die Dreißiger des 20. Jahrhunderts damit, 1782 Friedrich Schiller und 1790 Wolfgang Amadeus Mozart beherbergt zu haben. Prominenter und verbürgerter Bewohner der Brückenstraße 19 ist Dr. Heinrich Hofmann – berühmter Arzt, Reformer der Psychiatrie und Autor des „Struwwelpeter“.

Auf den Spuren Karls des Großen

Über die Elisabethenstraße gelangen Hobbyhistoriker zu einem wichtigen Punkt der Ende des 14. Jahrhunderts errichteten und Anfang des 19. Jahrhunderts geschleiften Stadtmauer – dem sogenannten Affentor. Das trutzige Bauwerk sicherte den Zugang zu Sachsenhausen und kontrollierte den ein- und ausgehenden Personen- und Güterverkehr. Als die gesamte Befestigungsanlage ihre militärische Bedeutung verlor, wurden anstelle der Affenpforte zwischen 1810 und 1811 zwei klassizistische Häuser gleichen Namens errichtet. Die Gebäude, die bis 1837 Zoll- und Wachpersonal beherbergten, stehen heute unter Denkmalschutz und gehören dem Frankfurter Caritasverband. Für die Bezeichnung Affentor gibt es viele Erklärungen. Eine Frankfurter Sage berichtet jedoch, dass Karl der Große auf der Flucht vor den Sachsen an diesem Ort das „Ave Maria“ angestimmt habe und daraufhin gerettet wurde. Nach einem zweiten Gebet des bedeutenden Herrschers öffnete sich eine Quelle, die später den Namen Aveborn erhielt.


Tuff, tuff, tuff die Eisenbahn

In südlicher Richtung, die Darmstädter Landstraße hinauf, geraten vor allem Eisenbahnfans ins Schwärmen – obwohl es enormer Fantasie bedarf, um sich das frühere Aussehen dieses Ortes vorzustellen. Der 1847 in Betrieb genommene Lokalbahnhof war nämlich Start- und Endpunkt des gleichnamigen Zuges, der zwischen Frankfurt und Offenbach verkehrte. Infolge der parallel verlaufenden Bebraer Bahn und der Einführung der Straßenbahn verlor die Strecke allerdings zusehends an Bedeutung und wurde 1955 ganz geschlossen. Mitte der Sechziger entstand auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände ein Hochhaus mit Büros und Geschäften.

Ein Schlenker in östlicher Richtung führt Spaziergänger zum Gelände des ehemaligen Schlacht- und Viehofs. Die beiden räumlich getrennten Anlagen wurden von 1882 bis 1885 erbaut und zwischen 1896 und 1902 erweitert. Auf einer Fläche von mehr als elf Hektar fanden sich Ställe, Markt- und Schlachthallen sowie ein gesonderter Bereich für kranke und seuchenverdächtige Tiere. Damit das gesunde Fleisch entsprechend gelagert werden konnte, gab es unter jeder Schlachthalle einen Kühlkeller. Die einstmals vorbildliche Anlage wurde erst 100 Jahre später durch ein modernes „Fleischversorgungszentrum“ ersetzt, das 1993 den teils spektakulären Neubauten es Deutschherrnviertels weichen musste.

Schwere Zeiten für die Warte

Jetzt heißt es tief durchatmen: An einem der höchsten Punkte des Sachsenhäuser Bergs lässt sich nämlich ein Bauwerk besichtigen, das zur örtlichen Landwehr gehörte. Die 1470 bis 1471 außerhalb des damaligen Frankfurts errichtete Warte ähnelte nicht nur optisch einer kleinen Burg. Neben Aussichtsturm und Wehrhof umfasste die massive Anlage Mannschaftsgebäude und Waffenlager sowie natürlich einen Brunnen. Die Sachsenhäuser Warte hatte vor allem im 16. Jahrhundert einige Bewährungsproben zu bestehen. Während sie aus einem ersten Scharmützel mit Franz von Sickingen (1519) unbeschadet hervorging, wurde sie beim zweiten Angriff (1552) – dieses Mal durch den Markgrafen von Brandenburg – in Schutt und Asche gelegt. Das nach weiteren Attacken wieder und wieder errichte Bauwerk enthält bis heute Reste des Wohnhauses und des Brunnens. Unter dem Dach der Sachsenhäuser Warte findet sich derzeit eine geräumige Gastwirtschaft mit gutbürgerlicher Küche und Frankfurter Spezialitäten. Und die sollte man sich unbedingt schmecken lassen!

Bewegte Vergangenheit

Den Berg hinunter geht es zur nächsten Etappe: Das Stationsgebäude des Südbahnhofs stammt aus dem Jahr 1914. In seinen erkennbaren Jugendstilformen erinnert es an die dritte Empfangshalle des Höchster Bahnhofs, die ebenfalls vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eingeweiht wurde. Zwischen Darmstädter Land- und Schweizer Straße hatte es bereits 1875 eine provisorische Anlage gegeben, die von den Sachsenhäusern aus gutem Grund als Bebraer Bahnhof bezeichnet wurde. Am Tag der Eröffnung befuhr die gleichnamige Bahn schließlich zum ersten Mal die neue Strecke zwischen Hanau und Frankfurt; Sachsenhausen und Offenbach waren somit an den Schienenverkehr angeschlossen. Ein trauriges Kapitel in den Annalen des Südbahnhofs ereignete sich im November 1938: 2500 jüdische Bürger wurden von hier aus in eine düstere Zukunft deportiert. Vor dem Stationsgebäude findet inzwischen ein Wochenmarkt statt. An rund 25 Ständen gibt es alles für Grünfutter-Fans und Fleischfresser.

Vom Ackerland zum Vergnügungsviertel

In unmittelbarer Nähe des Südbahnhofs liegt die Schweizer Straße – pulsierendes Herz von Sachsenhausen. Dass das nicht immer so war, zeigt ein Stadtplan aus dem Jahr 1861: Weite Felder und wilde Gärten offenbarten eine eher ländliche Gegend. Mit dem Bau der Untermainbücke (1874) begann auch die Geschichte der Schweizer Straße, die alsbald zum Gustav-Adolf-Platz und darüber hinaus führte. Ein Großteil der prachtvollen Häuser, die zu beiden Seiten errichtet wurden, überstand den Ersten, doch leider nicht den Zweiten Weltkrieg. Den Abrissbirnen der späten 40er folgten einige Bausünden, aber auch eine vorbildliche Infrastruktur aus Wohn- und Geschäftshäusern. Auf der Schweizer Straße und ihrem seit 1954 als Schweizer Platz bezeichneten Zentrum herrschte schon immer reger Verkehr: Nach der Pferdebahn kam die dampfbetriebene Waldbahn, die elektrische Straßenbahn und schließlich die U-Bahn. Wer das besondere Flair der „Schweizer“ genießen will, flaniert jedoch gemütlich entlang der Platanen oder setzt sich vor eines der vielen Lokale wie das „Frollein“ mit seinen alpenländischen Schmankerln.

Eisernes Schmuckstück

Der Gang durch die Sachsenhäuser Geschichte endet, wo er begonnen hat – an den Ufern des Mains. In direkter Nachbarschaft der Alten Brücke ragen die konkaven Metallbögen des Eisernen Stegs in die Höhe. Die massive Stahlkonstruktion, die 1869 zur Entlastung des bis dahin einzigen Übergangs zwischen hibbdebach und dribbdebach errichtet wurde, ist der Tatkraft einer Frankfurter Bürgerinitiative zu verdanken. Zur Refinanzierung ihrer Ausgaben erhob die „Gesellschaft zum Bau einer Eisernen Brücke“ eine Benutzungsgebühr – und zwar für einen Zeitraum von etwa 20 Jahren. Da sich die von Peter Schmick entworfene Brücke auf Anhieb großer Beliebtheit erfreute, ging sie jedoch wesentlich früher in den Besitz der Stadt über. Wie andere Bauwerke auch musste der Eiserne Steg nach und nach einige Korrekturen und Reparaturen über sich ergehen lassen. Von 1911 bis 1912 wurden die Pfeiler erhöht, 1946 die Kriegsschäden beseitigt und 1993 die Stahlkonstruktion sowie die Gehbahn saniert.


Texte: Andrea Möller und Andreas Flender in

"Sachsenhausen - die schönsten Streifzüge durch Frankfurt"

Societäts-Verlag 2011, ISBN 978-3-7973-1250-1

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