Im „Malerviertel" ist ein Großteil der Straßen nach bekannten Malern benannt. Es liegt zwischen Schweizer Straße und Stresemannallee und wird im Norden vom Main, im Süden von der Eisenbahn begrenzt. Im Zuge der Entwicklung nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der enormen Zunahme der Bevölkerung dehnte sich Sachsenhausen weiter nach Westen aus.
Historie
Die Bebauung des Viertels fand im Wesentlichen zwischen 1890 und 1914 statt. Weitere Bauphasen gab es in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und bei der Wiedererrichtung kriegszerstörter Gebäude nach 1948.
An der Mainfront entstanden zunächst die herrlichen Villen, die heute das Museumsufer bilden. In der Zeit um 1900 wurden großbürgerliche Villen, Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser, überwiegend im Stil der Neorenaissance, errichtet. In vielen Straßen sind noch geschlossene Ensembles zu sehen, deren Fassaden und Schmuckelemente in eindrucksvoller Weise den Baustil dieser Epoche zeigen.
Schulen und Kirchen folgten der Wohnbebauung. Das ganze Viertel hat auch heute noch den Charakter eines großzügigen Wohnumfeldes mit viel Grün. Als bevorzugte Wohngegend erfreut es sich wegen seiner zentralen Lage und guten Verkehrsanbindung großer Beliebtheit.
Spaziergang
Unser Weg beginnt am Museumsufer am Städel. Wir gehen durch die Dürerstraße und sehen vor uns die 1913 eingeweihte evangelische Lukaskirche. Die Sachsenhäuser nannten sie früher „die Bilderkerch", weil sie der Maler Wilhelm Steinhausen mit großformatigen Wandbildern aus der biblischen Geschichte und einem segnenden Christus ausgestaltet hatte. Leider sind diese Kunstwerke den Bomben zum Opfer gefallen. Die Kirche wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut und im Inneren völlig umgestaltet. Die äußere Form blieb erhalten.
Schillerschule |
Gegenüber an der Ecke Gartenstraße und Morgensternstraße liegt die Schillerschule. Sie wurde Ostern 1908 als reines Mädchengymnasium eröffnet, heute ist sie wie alle Schulen in Frankfurt ein Gymnasium für Mädchen und Jungen. Das Gebäude wurde nach der Kriegszerstörung in den 50er Jahren neu errichtet.
Wir folgen der Morgensternstraße mit vielen denkmalgeschützten Häusern aus der Gründerzeit nach Süden und sehen ein großes Schulgebäude aus dem Jahre 1907 mit neobarocken Hauptportalen, die Schwanthaler- und die Textorschule. Sie liegen zwischen den gleichnamigen Straßen. Wir gehen nun durch die Schwanthalerstraße westwärts, werfen einen Blick in die Schadowstraße. Wir sehen in dieser kurzen Straße das denkmalgeschützte Bild einer Bebauung mit Wohnhäusern im neoklassizistischen Stil mit Anklängen an gotische und Jugendstilformen. Diese Häuser wurden für gutbürgerliche Familien um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet.
Wir erreichen die Holbeinstraße, eigentlich eine Allee, und folgen ihr nach Süden. In der Textorstraße sehen wir links die Holbeinschule, eine Realschule von 1909. Rechts erblicken wir die katholische St. Bonifatiuskirche von 1926/27, ein bemerkenswertes Kirchengebäude, von dem Frankfurter Architekten Martin Weber im expressionistisch variierten Bezug zur norddeutschen Backsteingotik erbaut. Mit einer Klinkerfassade über einer Betonkonstruktion erhebt sich in der Symmetrieachse ein sechseckiger Chorturm unter hexagonalem Helm.
Bonifatiuskirche |
Von der Holbeinstraße biegen wir rechts in die Burnitzstraße ein. Sie hat einen völlig anderen Charakter, da sie größtenteils zwischen 1920 und 1930 bebaut wurde. Hier findet man eine moderne Blockbebauung (Nr. 1— 9 und 2 — 8), Einfamilienhäuser und neben den nach der Zerstörung durch Bomben wieder aufgebauten Häusern auch neu errichtete Bauten der Nachkriegszeit. Zwischen Passavantstraße und Stresemannallee liegt auf der rech ten Straßenseite eine kleine Siedlung, die vom Eisenbahn-Siedlungs-Verein für Bedienstete der Reichsbahn errichtet wurde. Zur Stresemannallee hin schließt sich der Halbrundbau eines neoklassizistischen Beamtenwohnhauses von 1923 als konkave Platzbegrenzung an. Gegenüber sehen wir eine Miethausgruppe von 1914 (Nr. 65, 67 und 69) mit Schaufassaden, ionischer Säulenordnung und Zentaurenskulpturen.
Nach Überqueren der Kennedyallee wenden wir uns nach rechts und gleich wieder nach links in die Schreyerstraße mit einer schönen Platzanlage in der Mitte. Wir kreuzen die Gartenstraße und biegen von der Schaubstraße rechts in die Steinlestraße ein. Diese Straße, mit ihren nach Rubens und Rembrandt benannten Seitenstraßen, zeigt uns ein fast geschlossenes Bild herrschaftlicher Wohnbebauung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist das Wohnhaus Rembrandtstraße 12, nach einem Entwurf von M. Kühn 1902 erbaut, mit Schmuckformen aus Gotik und Renaissance. In der Holbeinstraße finden wir auf der rechten Seite (Nr. 8 —18) eine Reihe von Häusern von 1902 in verschiedenen Baustilen dieser Zeit.
Otto-Hahn-Platz |
Nun werfen wir noch einen Blick auf die Holbeinstraße jenseits der Kennedyallee. Dort sehen wir rechts den Otto-Hahn-Platz mit dem Rosengärtchen. Diese wunderschöne kleine Anlage, deren Rosenpracht Anwohner und Spaziergänger im Sommer erfreut, geht zurück auf die große Rosen-, Blumen- und Pflanzenausstellung an der Forsthausstraße (die heutige Kennedy Allee), die 1897 auf Initiative von Johann Peter Strassheim, Mitbegründer des Internationalen Rosistenvereins, stattfand. Auf der anderen Straßenseite der Holbeinstraße steht die Carl-Schurz-Schule, 1901 als Sachsenhäuser Oberrealschule gegründet. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach im modernen Stil wieder errichtet.
Nun sind wir am Ende des kleinen Spazierganges durch das Malerviertel. Es bietet noch weitere interessante Aspekte, so die näher an der Schweizerstraße gelegene ältere, etwas einfachere Bebauung in der Cranachstraße und in der Textorstraße Nr. 82 bis 88, die 1906/07 von der Frankfurter Wohnungsgenossenschaft mbH erbaute Mietwohnanlage im Stil der Neorenaissance. Bemerkenswert die lebhafte Gliederung des Baublocks und die Gruppierung um einen zur Straße hin offenen Hof mit Grünanlage.
Hedderichstraße Ecke Oppenheimer Landstraße |
Ganz anderer Art ist die Bebauung der Hedderichstraße mit dem Verwaltungsgebäude der ehemaligen D. Stempel AG von 1908 und 1924 in Formen des süddeutschen Barocks nach einem Entwurf von L. v. Stempel mit zwei bemerkenswerten Portalen (Nr. 104-114). Daran anschließend (Nr. 116-132) eine Reihe von 1901 bis 1903 im Stil der Neogotik von F. Weil erbauter Mietwohnhäuser.
Text: Günter Appel in "Sachsenhausen neu entdecken" von Antje Jens (Hrsg.),
Societäts-Verlag 2005, ISBN 3-7973-0929-5
Fotos: frankfurt-sachsenhausen.de