Der Main trennt „Hibb de Bach" (Frankfurt) von „Dribb de Bach" (Sachsenhausen). Die Alte Brücke oder, wie sie im Mittelalter auch genannt wurde, die Sachsenhäuser Brücke verbindet die beiden Teile der Stadt. Oberhalb einer Furt über den Main, die als „Frankenfurt" der Stadt ihren Namen gab, gab es eine Fähre. Hier errichtete man sicher schon vor der erstmaligen urkundlichen Erwähnung 1222 eine Holzbrücke an einer der ältesten und wichtigsten Handelsstraßen zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands.
Alle Händler, die Waren über den Main transportierten, mussten hier den Fluss überqueren. Sie mussten Zoll und Wegegeld bezahlen, Diese Einnahmen waren wichtig für die Stadt, denn Bau und Unterhalt der Brücke waren teuer.
Als ein Hochwasser 1235 die hölzerne Brücke zerstörte, stellte König Heinrich VII. „auf ewige Zeiten" die Hälfte der Einkünfte aus der königlichen Münze und Holz aus dem Reichsforst zur Wiederherstellung der Brücke zur Verfügung. Das deutet auf die Wichtigkeit dieser Brücke hin, die über Jahrhunderte die einzige über den Main unterhalb von Würzburg war. Schon 1276 sprach man von einer steinernen Brücke.
Oft von Naturgewalten und Kriegshandlungen zerstört, wurde. die Brücke immer wieder aufgebaut. Eisgang und Hochwasser setzten ihr im 14. Jahrhundert gewaltig zu.
Über dem mittleren Bogen wurde 1401 ein eisernes Kreuz mit einem Hahn an dessen Spitze aufgestellt. Dieser erste „Brickegickel" zeigte den Schiffern die tiefste Stelle und sicheres Fahrwasser an.
Die Alte Brücke war Gerichtsplatz, der Brückenturm Gefängnis.
Im Jahr 2006 wurde an der Alten Brücke der „Neue Portikus“ eröffnet (Anm. der online-Redaktion).
Neuer Portikus an der Alten Brücke |
Hier arbeitete der Henker an Folter und Strang. Hier wurden die schaurig verzerrten Köpfe der hingerichteten Räuber aufgepflanzt. 1616 steckte man den Kopf des Aufrührers Vinzenz Fettmilch und die Köpfe dreier seiner Helfer auf eiserne Zinken hoch oben an dem Frankfurter Brückenturm. Goethe soll sie noch gesehen haben. Vom Kreuzbogen stieß der Henker die zum Wassertode Verurteilten in den Main. Unter dem goldenen Hahn, der den Täter an die Verleugnung und Buße des Apostels Petrus erinnern sollte, wurde der Verurteilte, an Händen und Füßen gebunden oder in ein Fass geschlagen, in den Main gestürzt. 1411 wurde Frankfurts größte Mühle "gegen Sachsenhausen zu" auf der Brücke errichtet. Ihr imposantes Räderwerk erlangte im weiten Umkreis Berühmtheit. Den Flussabschnitt auf der Sachsenhäuser Seite nannte man jetzt „Müllermain". Von der Brückenmühle griff im Frühjahr 1414 eine Feuersbrunst auf die Stroh- und Schindeldächer am Sachsenhäuser Ufer über und äscherte die Häuser zwischen Main und Dreikönigskirche ein.
Söldner der Stadt auf Frankfurter Seite und die schwedische Garnison auf Sachsenhäuser Seite beschossen sich 1635, die Brückenmühle ging in Flammen auf. Rechts und links der Brücke wurden zwei neue Mühlen errichtet. Die einsturzgefährdete Brücke wurde 1740 —1744 umfassend renoviert und erhielt eine neue Sandsteinbrüstung. Eine Notbrücke nahm den Verkehr während der Bauzeit auf. Der Sachsenhäuser Brückenturm wurde 1765 abgerissen, weil die Durchfahrt zu eng war. 1801 folgte der Abriss des Frankfurter Brückenturms.
1813 schossen französische Truppen, die die nachdrängenden bayerischen Truppen aufhalten wollten, die östliche Brückenmühle in Brand.
1843 wurde eine Sandsteinstatue Kaiser Karls des Großen von dem Bildhauer Wendelstädt auf der Brücke errichtet. Heute steht sie am Eingang des Historischen Museums.
Am 7. Juli 1848 kämpften die Österreicher gegen die Aufständischen. Die Brücke wurde gesperrt und auch in Sachsenhausen wurden Barrikaden errichtet.
1856-1858 wurde an der Alten Brücke das Mühlenhaus zu einem Flusswasser-Pumpwerk umgerüstet, das von einer Dampfmaschine betrieben wurde. Die Sachsenhäuser Gärtner erhielten von dort ihr Gießwasser direkt aus dem Main. Das Brückenpumpwerk wurde 1890 abgerissen. Die Brücke war dem Verkehr schon lange nicht mehr gewachsen, deshalb entschloss man sich zu einer völligen Erneuerung.
1914 wurde die Brücke gesperrt, eine hölzerne Notbrücke wurde dem Verkehr übergeben und die alte Brücke ohne Zeremonie abgebrochen. 1924 brach die Holzkonstruktion der Behelfsbrücke zusammen.
1926 durchschnitt Oberbürgermeister Landmann das Band zur Eröffnung der neuen Brücke. Ursprünglich sollte sie den Namen Kaiserbrücke erhalten, doch als sie fertig war, hatte Deutschland keinen Kaiser mehr. So blieb der Name Alte Brücke erhalten.
1945 von den abziehenden deutschen Truppen gesprengt, wurde die Brücke provisorisch wieder hergerichtet; zweimal gründlich (zuletzt 1965) renoviert, soll sie nun in einigen Jahren völlig erneuert werden. Dazu fand 2001 ein Wettbewerb statt, nach dessen preisgekrönten Entwürfen das Bild der alten Sandsteinbrücke weitgehend erhalten bleiben soll.
Der Brickegickel auf der Alten Brücke |
Die Sage vom Brickegickel
„Der Baumeister, der die Brücke nicht rechtzeitig vollenden konnte, ließ sich mit dem Teufel ein, der den Bau noch in der letzten Nacht vollendete. Der Teufel hatte in einem Vertrag darauf bestanden, dass ihm die Seele des ersten lebenden Wesens, das über die Brücke gehe, gehöre. Nach altem Brauch musste der Baumeister als Erster die Brücke überschreiten, deshalb rechnete der Teufel mit der Seele des Baumeisters. Dieser aber jagte einen Hahn über die Brücke und der Teufel fühlte sich gefoppt. Er zerriss das Hähnchen in der Luft und riss einen riesigen Felsbrocken aus dem Main und schleuderte ihn auf die Brücke, sodass ein riesiges Loch entstand. Der Baumeister war gerettet."
In der Tat war die Steinausführung der Brücke an zwei Stellen unterbrochen und der Zwischenraum nur mit Balken abgedeckt, die man im Notfall leicht herausziehen und so die Brücke unbrauchbar machen konnte.
Brückenstraße in Richtung Main |
Der Name Brückenstraße weist auf die Alte Brücke hin, die in ihrem heutigen Zustand so alt eigentlich gar nicht ist. Die Straße verband die Brücke mit dem Südbahnhof. Heute tut sie das nicht mehr, denn bis zur Elisabethenstraße hat man ihr beim Durchbruch der Walter-Kolb-Straße nach dem Zweiten Weltkrieg die rechte Seite weggenommen und zwischen Schifferstraße und Gutzkowstraße, wo sie den Alten Friedhof teilt, ist sie zur Spielstraße geworden. Für Fahrzeuge ist sie dort nicht mehr befahrbar. Zu Fuß aber lohnt es sich, von der Brücke zum Südbahnhof zu spazieren und etwas über ihre Geschichte zu erfahren.
Ursprünglich ging die Straße nur bis zur Elisabethenstraße. Der von Süden kommende Verkehr nahm seinen Weg vom Affentor über die Elisabethenstraße und Brückenstraße zur Brücke über den Main nach Frankfurt.
Am Ende der Straße wurde 1320 die dem Deutschen Orden zugehörige Elisabeth-Kapelle auf dem dortigen Kirchhof errichtet. Nach deren Abriss wurde die Straße bis zur Schulstraße/Wallstraße verlängert und zunächst, als man nach Schleifung der Wälle zu Anfang des 19. Jahrhunderts vor dem neuen Tor den Friedhof errichtete, hieß ihre Verlängerung Kirchhofstraße. Nach Schließung des Alten Friedhofs 1868 wurde sie bis zum Südbahnhof verlängert und hieß nun durchgehend Brückenstraße. Der Alte Friedhof, nun zweigeteilt, wurde zur Grünanlage.
Spaziergang
An der Alten Brücke beginnt unser Weg durch die Brückenstraße. An ihrem Anfang finden wir auf der linken Seite die Deutschordenskirche von 1309 und das Deutsche Haus, einst der Sitz der Kommende Sachsenhausen des Deutschen Ordens. Ein wahrhaft geschichtsträchtiges Anwesen.
Deutschordenshaus und -kirche |
Ursprünglich ein Spital, das sich „Deutsches Haus St. Marien in Deutschland" nannte, wurde hier 1212 Friedrich II. zum König gewählt. Kaiser, Könige und hohe Herren waren Gäste. Auch mittellose Reisende und Pilger fanden Unterkunft, flüchtende Verbrecher suchten hier Asyl und fanden es meist auch. Im Mittelalter war der Deutsche Orden der reichste Grundeigentümer der Stadt.
Im Streit um die päpstliche Approbation für die Ausübung der königlichen Gewalt verlangte Papst Johannes XXII. in Avignon 1324 von König Ludwig den Verzicht auf die Krone. Dieser appellierte an ein Konzil, Johannes antwortete mit dem Bann und entband die Untertanen des Königs vom Eid. In der „Appellation von Sachsenhausen" an ein allgemeines Konzil blieb Ludwig ihm nichts schuldig.
1338 beim Reichstag im Deutschen Haus verkündete Kaiser Ludwig, dass Rechte und Titel des Kaisers bereits mit der Wahl zum Deutschen König — ohne Krönung durch den Papst — verliehen seien.
Vielfältig waren im Lauf der Geschichte die Nutzungen des Deutschen Hauses: Lazarett, Truppenunterkunft, Magazin, Kaserne und Unterkunft für eine Malerkolonie. Es wurden auch Räume für Vereinszwecke vermietet. Heute ist im Deutschen Haus das Ikonen-Museum (siehe Seite 95) untergebracht.
Einer der bedeutendsten Köpfe der deutschen Geistesgeschichte, ein Priester und Kustos, „der Frankfurter" (weder Datum noch Name sind überliefert) lebte gegen Ende des 14. Jahrhunderts im Deutschen Haus und verfasste um 1380 ein Traktat „Vom ‚vollkommenen' Leben". Die in die Geschichte der Mystik eingegangene Schrift mit dem Titel „Eyn deutsch Theologia" wurde von Luther, der davon begeistert war, 1518 in Druck gegeben.
Den Durchreisenden boten Gasthäuser und Gasthöfe Unterkunft. Erwähnenswert ist das heute nicht mehr existierende Haus „Zu den drei Rindern", wo Schiller auf seiner Flucht von Mannheim mit seinem Freund Streicher und auch Mozart übernachtet haben (sollen). Es stand an der Ecke Dreikönigstraße.
Noch heute zu sehen ist in Nr. 19 die Gastwirtschaft „Tannenbaum", auch ein ehemaliger Gasthof (seit 2009 befindet sich hier die café bar brücke (Anm. der online-Redaktion)). Hier wohnte der berühmte Arzt und Reformer der Psychiatrie Dr. Heinrich Hoffmann, der Autor des „Struwwelpeter", als er um 1830 die ärztliche Überwachung des neuen Leichenhauses in Sachsenhausen übernahm Zwei Häuser weiter (Nr.21) finden wir die Carolus Apotheke. Diese Apotheke von Ph. Ohlenschlager (ihr früherer Name) ist die älteste Apotheke in Sachsenhausen.
Brückenstraße, Elisabethenstraße und Wallstraße waren das gewerbliche Herz und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Haupteinkaufsstraßen von Sachsenhausen.
Wallstraße |
Allein in der Brückenstraße gab es 1936 88 verschiedene Läden, Handwerksbetriebe und Werkstätten, darunter waren:
9 Metzgereien, 8 Zigarrengeschäfte, 7 Lebensmittelgeschäfte, 6 Gastwirtschaften,
5 Milchgeschäfte, 5 Textilgeschäfte, 4 Kohlenhändler, 3 Papiergeschäfte, 3 Bäckereien,
2 Kolonialwarengeschäfte, 2 Lederwarenhandlungen, 2 Fotografen und 2 Wäschereien.
Hinzu kamen noch die zahlreichen Geschäfte und Wirtschaften in der Elisabethenstraße und in der Wallstraße.
Elisabethenstraße |
Hier gab es alles für den täglichen Bedarf der Sachsenhäuser Bevölkerung. Das ist heute nicht mehr so, denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das wirtschaftliche Zentrum des Stadtteils in die Schweizer Straße verlagert.
Zwischen Elisabethenstraße und Schifferstraße ist die alte Bausubstanz weitgehend von Kriegszerstörungen verschont geblieben. Man hat deshalb rein baulich noch einen Eindruck, wie es einmal war. Erwähnenswert ist besonders das Haus Brückenstraße 42 an der Ecke Schulstraße, ein Mietshaus der Neorenaissance von 1883 mit aufwändig gegliederten Werksteinfassaden und Eckerker. Es wurde sehr gut renoviert.
Heute gibt es nur noch wenige eingesessene Geschäfte in der Brückenstraße. Das Maingau Hotel an der Ecke Schifferstraße ist mit seinem renommierten Restaurant weithin bekannt und zieht Gäste aus aller Welt an.
Auf Betreiben einer Elterninitiative wurde die Straße durch den Alten Friedhof Spielstraße und es entstand ein großer Kinderspielplatz. Die Anlage ist eine grüne Oase im Stadtteil.
Spielplatz in der Brückenstraße |
Im westlichen Teil des Alten Friedhofs steht die 1848er Freiheitseiche, die letzte von drei Eichen zur Erinnerung an den Schiebkärcher Christoph Dörrstein und den Weingärtner Johannes Lein, zwei Sachsenhäuser Bürger, die während der Unruhen am 18. September 1848 ums Leben kamen und hier begraben wurden.
Im östlichen Teil der Grünanlage, wo früher die Friedhofskapelle stand, wurde im Zweiten Weltkrieg der „Schifferbunker" erbaut. Er bot im Bombenkrieg vieren Sachsenhäusern Schutz. 2001 wurde er abgerissen und machte einer Wohnbebauung Platz.
Südlich der Gutzkowstraße ist die Brückenstraße vorwiegend mit Wohnhäusern aus der Gründerzeit nach 1871 bebaut und in der Substanz weitgehend erhalten. Wo heute zwischen Textorstraße und Schwanthalerstraße das Stadtbad Süd steht, das bald einem Neubau wird Platz machen müssen waren früher das Depot und die Betriebswerkstätte der dampfbetriebenen Frankfurter Waldbahn, die 1929 nach der Elektrifizierung der Strecken nach Neu Isenburg und Schwanheim der elektrischen Straßenbahn weichen musste.
Auf dem letzten Stück bis zum Südbahnhof grenzt an die östliche Seite der Brückenstraße das unter Denkmalschutz stehende 100 Jahre alte Straßenbahndepot zwischen Textorstraße und Hedderichstraße. Es wurde 2003 stillgelegt. Entlang der Hedderichstraße ist eine teilweise Neubebauung vorgesehen.
Im Jahr 2009 wurden hier ein Supermarkt, das Wirtshaus Depot 1899 und das neue Rundschauhaus eröffnet (Anm. der online-Redaktion).
Wirtshaus und neues Rundschauhaus |
Der Diesterwegplatz vor dem Südbahnhof ist ein städtebauliches Juwel. Die gesamte Platzanlage ist ein sehenswertes Ensemble. Neben dem imposanten Bahnhofsgebäude von 1913 beeindruckt besonders das repräsentative Gebäude der Post an der Ecke Hedderichstraße/Diesterwegstraße. Der Südbahnhof ist heute ein Bürgerhaus mit vielen Veranstaltungen und ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt. Hier konzentriert sich der öffentliche Personennahverkehr. 3 S-Bahn-Linien, 3 U-Bahn-Linien, 3 Straßenbahnlinien, 9 Omnibuslinien und mehrere Regionalbahnlinien treffen hier zusammen und verbinden Sachsenhausen in viele Richtungen mit der Stadt, dem Flughafen und dem Umland. Auf dem Platz vor dem Südbahnhof findet jeden Freitag ein beliebter Wochenmarkt statt.
Südbahnhof |
Text: Günter Appel in "Sachsenhausen neu entdecken" von Antje Jens (Hrsg.),
Societäts-Verlag 2005, ISBN 3-7973-0929-5
Fotos: frankfurt-sachsenhausen.de